Trotzphase – Wie Kinder ihren eigenen Willen entwickeln

Als berühmt-berüchtigt wird die Trotzphase betrachtet, die Kinder gemeinhin zwischen ihrem zweiten und fünften Geburtstag durchleben. Während dieses Abschnitts tritt der kindliche Selbstbehauptungswille zutage.

Schon im Babyalter offenbaren sich gelegentlich Trotzanfälle, so richtig heftig wird es aber erst ab dem zweiten Lebensjahr, denn dann möchte der Nachwuchs unter allen Umständen seinen Kopf durchsetzen. Für die Eltern heißt es „Gelassenheit üben“ und „Ruhe bewahren“, denn Kinder in der Trotzphase kosten Kraft und Nerven.

Lächelndes Kind - Trotzphase überstanden.

Trotzphase überstanden?

Heranwachsende müssen den Umgang mit Wut erst lernen. Solange Kleinkinder ihren Ärger und ihren Zorn noch nicht in manierliche Wege leiten können, gehören heftige Schreiattacken zur Tagesordnung. Mehr noch, es wird geweint, gestampft und gewütet, wann immer der Unmut ungehindert und ungefiltert an die Oberfläche schwappt.

Im Verlauf der Trotzphase erwacht das „ICH“ und der eigene Wille entwickelt sich

Trotz galt in früheren Zeiten nicht zwangsläufig als negatives Verhalten, denn der Begriff stand einst in erster Linie für Standhaftigkeit. Durchhaltevermögen wird auch heute noch als positiv empfunden. Die Gegenwehr, die den kindlichen Trotz begleitet, stößt dagegen auf Missbilligung.

Aggressives Verhalten bei Kindern ist als Symptom zu bewerten, signalisiert aber nicht gleich ein gravierendes Verhaltensproblem. Die eigentlichen Motive wie Angst, Frust, Verunsicherung und Orientierungslosigkeit verbergen sich hinter der kindlichen Fassade. Oftmals handelt es sich einfach nur um das Bedürfnis nach Liebe, körperlicher Nähe und Aufmerksamkeit.

Tipp: Das Verhalten während der Trotzphase niemals persönlich nehmen. Die Wut des Kindes zielt stets auf eine Situation und richtet sich nicht gegen Personen.

Wie entstehen Gefühle?

Das Spektrum der menschlichen Emotionen setzt sich aus Angst, Ärger, Ekel, Freude, Liebe, Scham, Schuld, Traurigkeit, Verachtung, Wut und eine Reihe weiterer Gefühle zusammen. Eine Empfindung entfaltet sich aufgrund eines Auslösers:

  1. Etwas passiert.
  2. Die Situation lässt einen Gedanken aufkommen.
  3. Der Gedanke führt zu einer chemischen Reaktion im Körper.
  4. Im Gehirn findet parallel dazu die Aktivierung des Gefühlsbereiches statt.
  5. Hormone werden ausgeschüttet.
  6. Die entfachten Gefühle initiieren weitere Gedanken, die wiederum emotionale Reaktionen hervorrufen.
  7. Der gesamte Vorgang vollzieht sich in blitzschneller Geschwindigkeit.

Hat ein Mensch den Gedanken als erste Reaktion auf die Situation nicht unter Kontrolle, verselbstständigen sich die Gefühle. Dieser Prozess läuft während der Trotzphase täglich mehrfach ab, denn das Kleinkind hat seine Gedanken noch nicht im Griff.

Erst mit der Zeit und mit viel Übung lernt der Mensch seinen Gedankenapparat zu steuern und die Gefühle entwickeln ein weniger starkes Eigenleben. Experten empfehlen eine gewaltfreie Kommunikation, denn die nicht anschuldigende Art trägt zur Vermeidung und zur einfachen Lösung von Konflikten bei.

Häufige Beweggründe für Trotzanfälle

Die Trotzphase signifiziert für jeden Menschen einen wichtigen Entwicklungsschritt vom Baby zu einer eigenständigen Persönlichkeit.

Wenn Kleinkinder wütend werden, dreht es sich in den meisten Fällen um die Begierde nach einem Gegenstand. Es kann sich um ein Spielzeug, etwas Essbares oder um Dinge, die nicht in Kinderhand gehören, handeln. Eventuell verspürt das Kind einfach das Bedürfnis nach Geborgenheit oder Zuspruch.

Babys und Kleinkinder besitzen noch kein Zeitgefühl. Die Zukunft können sie nicht abschätzen, deshalb fehlt ihnen das Verständnis, wenn ein Ereignis für morgen oder in zwei Stunden angekündigt wird. Steht etwas in Aussicht, dann soll es nach Meinung des Kindes bitteschön augenblicklich geschehen.

Wutanfälle können sich aus dem Wunsch, etwas alleine zu bewerkstelligen, herausbilden. Die Idee funktioniert bereits wunderbar im Kopf, doch bei der Realisierung stoßen Kleinkinder manchmal schnell an ihre Grenzen. Frust und Wut machen sich breit, wenn es nicht so klappt, wie erhofft.

Den Reiz des Verbotenen verspüren auch schon die Kleinsten. Ähnlich wie bei den Großen, fehlt mitunter die Akzeptanz, etwas zu unterlassen, das von anderen verboten wird.

Tipp: Damit das Kind tatsächlich Entscheidungen treffen und sich selbstverantwortlich fühlen kann, sollten ihm Auswahlmöglichkeiten angeboten werden. Zum Beispiel beim Spielen oder Anziehen jeweils zwei (besser nicht mehr) Alternativen bieten, die einen persönlichen Entschluss gestatten.

Die Entdeckung des Ich-Bewusstseins

Das körperliche Selbstgefühl muss sich erst ausprägen. Zunehmend begreift sich das Kind als Individuum und stellt fest, dass es selbst etwas zu Wege bringen kann. Der Übergang zur Ich-Identität macht auch vor der Sprachentwicklung nicht halt.

Etwa ab dem 3. Geburtstag verwendet das Kind nicht mehr die 3. Person, sondern wechselt zum Ich. Es ist nicht mehr die Jana, die nach ihrem Kuscheltier verlangt. Stattdessen ertönt ein selbstbewusstes „Ich will…“. Annähernd zur gleichen Zeit offenbart sich für den Nachwuchs die Wirkung des Wortes „Warum?“. Dieses Frageadverb erschließt eine Welt, die voller Rätsel steckt.

Die Trotzphase als Weiche für die Zukunft

Kinder müssen mit Konflikten und ihrer eigenen Aggression umgehen lernen. Ziel sollte nicht die vollkommene Unterdrückung von Wut und Zorn sein, sondern das Umlenken der Aggressivität in akzeptable Bahnen.

Je nachdem, wie Eltern auf die Wutanfälle ihres Kleinkindes reagieren, schreitet die emotionale Entwicklung voran. Das Kind strebt im Trotzalter immer stärker nach Autonomie und möchte die innige Verknüpfung mit den Eltern lockern. Diese Phase erfordert viel Verständnis, trotzdem müssen klare Regeln gelten, denn sie vereinfachen das Zusammenleben.

Wie entstehen Aggressionen bei Kindern? Konnten Kinder wiederholt mit Wutanfällen ihren Willen durchsetzen, empfinden sie ihr aggressives Verhalten als erfolgreiche Strategie, die weiterhin zur Anwendung kommt, höchstwahrscheinlich mit immer geringerer Toleranzschwelle.

Bleiben Eltern gelassen und konsequent und begegnen dem Kind mit Wertschätzung, verläuft die seelische Entwicklung mit sehr großer Wahrscheinlichkeit konstruktiv.

Tipp: Dem Trotz einen Namen geben, denn dann trägt der „Wut-Bär“ im Kind die hauptsächliche Verantwortung für Zornesausbrüche und die Persönlichkeit des Kindes, die gerade erst heranreift, steht nicht im Mittelpunkt der Kritik.

Ein kleiner Trost für genervte Eltern

Hier ein paar motivierende Gedanken, die möglicherweise dazu beitragen, dass die Trotzphase des Kindes für Eltern als weniger stark belastend empfunden wird:

  • In der Trotzphase lernt das Kind viel für das spätere Leben.
  • Trotz beim Kleinkind darf nicht mit bösem Willen gleichgesetzt werden.
  • Die typischen Wutanfälle sind meist nach ein paar Minuten vorüber.
  • Getrotzt wird prinzipiell nur bei vertrauten Menschen.
  • Eine Theorie besagt: „Je turbulenter die Trotzphase im Kleinkindalter, desto gemäßigter fällt der Widerstand in der Pubertät aus.“ Für diese Hypothese gibt es aber leider keinen wissenschaftlichen Beweis.

Fazit:
Die Bezeichnung „Trotzphase“ umschreibt die Zeitspanne, in der Kinder ihren eigenen Willen entwickeln. Normalerweise findet die Anhäufung von Wutanfällen zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr statt, wobei die Zeiten variieren können.

Lässt das aggressive Verhalten nach Schuleintritt nicht nach, besteht Verdacht auf Chronifizierung. In diesem Fall empfiehlt sich die Konsultation eines Kinderpsychologen.