Wie kann man passiv aggressives Verhalten erkennen und wie geht man mit dieser Persönlichkeitsstörung um?

Gemeinhin werden Aggressionen mit gereizten und aufbrausenden Verhaltensweisen in Verbindung gebracht. Aggression kann sich aber auch ganz anders zeigen, wenn Interaktionen nicht aktiv, sondern passiv erfolgen.

Aktiv entspricht in der deutschen Grammatik der Tätigkeitsform. Die Passivierung, die nach Maßgabe der Sprachlehre zum Einsatz kommt, um eine Handlung hervorzuheben, wird dagegen als Leideform bezeichnet.

Diese Definition bringt passiv aggressives Verhalten exakt auf den Punkt. Ein erwachsener Mensch, der an dieser Persönlichkeitsstörung leidet, wiegt sich im festen Glauben, dass sein Leben nur aus Unglück und Leid besteht. Eine solche Denkweise fördert ein oppositionelles Trotzverhalten, das in dieser Form nur bei Kindern und Jugendlichen in der Pubertät zutage tritt. Passiv-aggressive Menschen weisen ähnliche widerwillige Züge auf.

Die passiv aggressive Persönlichkeitsstörung offenbart sich mit einer rundum negativistischen und abwertenden Gesinnung

Betroffene denken, dass es allen anderen viel besser ergeht als ihnen. Sie fühlen sich betrogen, hintergangen und zu gering geachtet. Die empfundene Benachteiligung führt zu Unzufriedenheit und Frustration.

Selbstmitleid?

Groll, Neid und Missgunst zielt insbesondere auf Personen, die mehr besitzen, bessere Positionen haben, glücklich wirken und jeden Tag in vollen Zügen genießen. An persönlichen Enttäuschungen sind immer andere schuld. Es herrscht eine starke Neigung zum Selbstmitleid.

Wochenlanges Schweigen?

In der Beziehung drücken sich Betroffene vor Entscheidungen, halten Versprechen nicht ein und erfinden dafür stichhaltige Ausreden. Notgedrungen übernimmt der Partner mehr Verantwortung, was den Passiv-Aggressiven in seiner Ohnmacht noch bestärkt. Bisweilen bringen Betroffene ihre negativistische Störung mit tage- oder wochenlangem Schweigen zum Ausdruck.

Typische Auffälligkeiten bei passiv aggressivem Verhalten:

  • Klagen über das eigene Unglück gehören zur Tagesordnung.
  • Wenn im Job etwas gegen den Strich verläuft, werden Arbeitsaufträge boykottiert oder mit Absicht langsam oder unzureichend ausgeführt.
  • Alles wird misstrauisch beäugt, weil hinter jedem Impuls von außen ein persönlicher Angriff stecken könnte.
  • Betroffene sind vornehmlich mürrisch, unleidlich, launisch und streitsüchtig, insbesondere wenn von ihnen etwas verlangt wird, wozu sie keine Lust haben.
  • Sie fühlen sich ständig missverstanden oder nicht wahrgenommen.
  • Das Erledigen von Pflichten wird hinausgeschoben oder wohlüberlegt umgangen.
  • Passiver Widerstand richtet sich in erster Linie gegen Initiativen und Anweisungen anderer Personen.
  • Die zwischenmenschliche Verständigung erfolgt oftmals auf eine zynisch-negative Art.
  • Beschwerden entbehren nicht selten jeder Grundlage.
  • Autoritäten erhalten ungerechtfertigte Kritik, die sich zu einer wahren Hassorgie steigern kann.
  • Beleidigt sein stellt die Konsequenz von gut gemeinten Vorschlägen oder Anregungen dar.

Therapie bei passiv aggressivem Verhalten

Vermutlich fehlt passiv-aggressiven Menschen die Fähigkeit, Wut und Ärger angemessen zu bewältigen. Ein klares „Nein“ kommt ihnen nicht über die Lippen. Stattdessen wird eingewilligt, obwohl von vornherein feststeht, dass Zusagen nicht eingehalten werden. Hinzu kommt die ständige Angst, dass die eigenen Bedürfnisse auf der Strecke bleiben, während sich andere in den Vordergrund drängen.

Die Einsicht kommt oft spät

Hilfe wird in der Regel erst in Anspruch genommen, wenn die betroffene Person erkennt, dass sie sich mit ihrem negativen Denken selbst im Weg steht. Bei den meisten kommt es allerdings niemals zu dieser Einsicht.

Eventuell sucht ein Mobbingopfer professionellen Rat und im Laufe des Gesprächs stellt sich heraus, dass passiv aggressives Verhalten das eigentliche Problem darstellt. Der sonst übliche Widerstand wird auch bei einem Therapeuten nicht so schnell aufgegeben, was einen positiven Verlauf der Behandlung erheblich erschwert.

Die Gefühle anderer manipulieren

Eine Form des passiv aggressiven Verhaltens stellt die emotionale Erpressung dar. Betroffene erzeugen mit Hilfe von Manipulation bei Ihren Mitmenschen ein schlechtes Gewissen, damit sie ihre Interessen leichter durchsetzen. Nach außen hin nehmen sie eine Opferrolle ein, mit dem Ziel, dass sich der andere schuldig fühlt und sein Verhalten ändert.

Emotionale Erpressung vollzieht sich sowohl mit Worten als auch mit Gesten. Notfalls wird beleidigt geschwiegen oder einfach auf die Tränendrüse gedrückt. Oftmals genügt nur ein mitleiderregender Blick und der Gegenüber gibt klein bei. In der Partnerschaft wird eventuell die Liebe des Lebensgefährten infrage gestellt oder es kommen in der Vergangenheit gemachte Fehler immer wieder auf den Tisch.

Im Eltern-Kind-Verhältnis steht der ständige Vorwurf des fehlenden Dankes ganz oben auf der Rangliste der beliebtesten Methoden. Wer anfällig für emotionale Erpressung ist, wird alles dafür tun, damit sich der emotionale Erpresser wieder besser fühlt. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sind aber alle Anstrengungen vergebens, denn eine echte Zufriedenheit stellt sich definitiv niemals ein, im Gegenteil, meist folgen innerhalb kürzester Zeit die nächsten Forderungen.

Probleme, die durch passiv aggressives Verhalten entstehen können

Eine negativistische Persönlichkeitsstörung birgt bereits genug Trübsal. Durch den praktizierten passiven Widerstand entstehen aber häufig weitere Probleme, die für Menschen mit einer abwertenden Grundhaltung noch mehr Schwierigkeiten bedeuten:

  • Mangels Teamgeist sind im Job Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten und Kollegen vorprogrammiert. Eventuell spitzt sich die Lage so sehr zu, dass sich eine Kündigung vonseiten des Arbeitgebers nicht mehr umgehen lässt. Schuld am Scheitern sind natürlich immer die anderen.
  • In der Beziehung kommt es bei fortwährender Manipulation und emotionaler Erpressung zwangsläufig zu einer Reduzierung des Vertrauens. Passiv aggressives Verhalten eines Lebensgefährten endet nicht selten mit Scheidung bzw. mit der endgültigen Auflösung der Partnerschaft.
  • Statt Probleme offen anzusprechen, begegnen passiv aggressive Personen zwischenmenschlichen Konflikten mit Feindseligkeit, Frustration oder beleidigtem Schweigen.
  • Glückliche Menschen erregen Neid, Groll und Ablehnung. Anderen geht es sowieso immer viel besser. Ein mürrisches und streitsüchtiges Benehmen und ständiges Jammern wird von Freunden aller Voraussicht nach nicht auf Dauer toleriert. Weil gemeinsam verbrachte Stunden fortwährend mühseliger werden, zieht sich der Freundeskreis nach und nach zurück.
  • Eine passiv aggressive Persönlichkeitsstörung birgt mit den Jahren die Gefahr der Isolation und Vereinsamung,

Woher kommen passiv aggressive Verhaltensweisen?

Normalerweise sind aggressive Menschen schnell gereizt. Sie reagieren brüskiert und aufbrausend, manchmal sogar in Verbindung mit körperlichen Angriffen. So treten die negativen Gefühle deutlich zutage. Inaktive Aggression äußerst sich dagegen mit einer grundsätzlich pessimistischen Haltung.

Die Ursachen für passiv aggressives Verhalten wurden bislang noch nicht zur Genüge erforscht. Vermutlich tragen sowohl biologische Faktoren als auch Lebensumstände und gemachte Erfahrungen zu passiv aggressiven Verhaltensweisen bei. Zweifelsohne begünstigt ein geringes Selbstwertgefühl den Hang zu negativistischen Zügen.

Widrige Emotionen können nicht auf übliche Weise zum Ausdruck gebracht werden. Schätzungen zufolge, weisen bei uns etwa 5% der erwachsenen Bevölkerung passiv aggressive Charaktereigenschaften auf. Diagnostiziert wird diese Persönlichkeitsstörung jedoch äußerst selten. Der Hauptgrund liegt bestimmt in der Tatsache, dass passiv aggressive Menschen ihr eigenes Verhalten nicht als Störung betrachten und sie sich deshalb keinem Psychologen anvertrauen.

Die negative Grundeinstellung besiegen

Mit passiv aggressivem Verhalten auf Probleme reagieren hat in der Regel Nachteile und Konflikte zur Folge. Wer diesen Mechanismus verstanden und verinnerlicht hat, befindet sich bereits am Anfang des Wegs, der zu einem zufriedeneren Leben führt.

Negative Gedanken beanspruchen viel Energie, die sich besser nutzen lässt. Experten sind der Meinung, dass sich eine optimistische Lebenseinstellung erlernen lässt. Mit der Unterstützung eines Therapeuten kommen Betroffene schneller ans Ziel. Ansonsten hilft das Bewusstsein, dass Pessimisten ihr Glück selbst sabotieren.

Wird immer nur das Schlimmste befürchtet und über Menschen und Dinge generell schlecht geurteilt, kann sich keine Freude einstellen. Statt sich bei jedem Fehlschlag bestätigt zu fühlen, sollten sich Personen mit negativer Grundeinstellung auf das Schöne im Leben konzentrieren. Das gibt es nämlich auch, man muss nur den Blick darauf lenken.