Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die viel Aggressivität verspüren, reagieren auffallend oft aufbrausend oder sogar gewaltbereit. Wenn ein sozial verträgliches Verhalten im Elternhaus nicht beigebracht wurde, bestehen im Erwachsenenalter Defizite, die im Alltag zu zwischenmenschlichen Konflikten führen.
Um einem hohen Aggressionspotenzial entgegenzuwirken, bietet sich ein Anti-Aggressivitäts-Training an. Viel zu oft wird gewartet, bis das Kind in den Brunnen gefallen bzw. tatsächlich jemand handgreiflich geworden ist. Je früher eine Verbesserung der Selbstkontrolle angestrebt wird, desto rascher führen alternative Konfliktlösungen zu einem harmonischen Miteinander.
» Anti Aggressivitäts Training « kommt nicht nur den Mitmenschen, sondern in erster Linie der eigenen Person zugute
Natürlich profitiert auch das Umfeld von einem besonnenen Verhalten. Wer sich zu einem Training gegen aggressives Verhalten entschließt, sollte sich bewusst sein, dass er sich primär selbst etwas Gutes tut.
Extrem aggressive Menschen erkennen bei einer kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst, dass sie die Wut schier auffrisst. Umso schlimmer, wenn es um Dinge geht, deren Veränderung nicht in den eigenen Einflussbereich fällt. Zorn wird im Grunde sinnlos, wenn man die Ursache nicht beseitigen kann.
Raum für erfreuliche Erlebnisse schaffen
In vielen Fällen gehen Wutausbrüche mit Rachegelüsten einher. Steht der Sinn nur noch nach Abrechnung und Genugtuung, richtet sich die Wut letztendlich gegen die eigene Person, auch wenn es auf den ersten Blick absurd erscheint. Beschäftigen sich die Gedanken fast ausschließlich mit der Planung und Durchführung von Vergeltungsmaßnahmen, bleibt kein Raum mehr übrig für Überlegungen, die zu erfreulichen Erlebnissen beitragen.
Welche Ziele verfolgt das Anti-Aggressivitäts-Training?
Um Aggressionen besser in den Griff zu bekommen, muss zunächst eine Stärkung der Selbst- und Fremdwahrnehmung erfolgen. Eine wahrheitsgetreue Einschätzung der persönlichen Fähigkeiten unterstützt das Selbstvertrauen. Jeder sollte sich seiner eigenen Gefühle bewusst sein, damit eine vernünftige Basis für Veränderungen geschaffen werden kann.
Toleranz aufbauen
Der Fremdwahrnehmung mangelt es zumeist ebenfalls an Objektivität. Fehlendes Einfühlungsvermögen beeinflusst jedoch die eigene Verhaltensweise sehr stark. Toleranz beginnt beim Zuhören und Warten, bis eine andere Person nicht mehr spricht.
Kompetenz aufbauen
Angemessen Lob und Kritik annehmen und verteilen ist für viele leider auch nicht selbstverständlich. Selbstbeherrschung reduziert aggressives Verhalten. Die Steigerung der eigenen Kompetenz hilft bei der Lösung von Konflikten.
Gibt es beim Anti Agressions-Training Regeln?
Die Teilnehmer müssen zunächst mit ein paar Richtlinien vertraut gemacht werden, die der gegenseitigen Rücksichtnahme dienen. Ein gemeinsames Erarbeiten dieser Regeln wirkt sich für gewöhnlich später bei der Einhaltung positiv aus. Idealerweise werden die Vereinbarungen für den Anti-Aggressivkurs auf einer Tafel oder einem Plakat notiert und hängen für alle ersichtlich im Raum. Sie lauten wie folgt oder ähnlich:
- Gegenseitiges Verletzen ist verboten. Gewalt wird im Anti-Aggressivitätstraining nicht akzeptiert.
- Es erfolgt lediglich das Nachahmen von Situationen. Kommt es zu ernsthaften Konflikten, bricht der Kursleiter eine praxisnahe Übung sofort ab und wechselt in die Theorie über.
- Niemand darf ausgegrenzt werden. Alle Teilnehmer, ob stark oder schwach, sind gleichgestellte Mitglieder der Gruppe. Ein Ausschluss aus der Gemeinschaft tritt nicht ein.
- Nichts wird verheimlicht oder verschleiert. Für im Anti Aggressivitäts Training auftretende Konflikte ist „unter den Teppich kehren“ nicht förderlich. Nur die direkte Konfrontation führt zu einer dauerhaften Erkenntnis.
Die Teilnehmer sollten natürlich im Vorfeld mit diesen Vorschriften einverstanden sein, auch wenn später mit Überschreitungen zu rechnen ist. Halten die Anwesenden die aufgestellten Regeln bei einer bestimmten Übung nicht ein, heißt das im Klartext, dass diese Trainingseinheit noch nicht dem Stand der Gruppe entspricht. Es sind erst noch andere Lerntechniken nötig.
Für wen eignet sich ein Anti-Aggressivitäts-Training?
Jeder, der häufig Wut und Groll in sich spürt und Probleme mit dem Loslassen von Zorn hat, kann ein Anti-Aggressionstraining besuchen. Mangelnde Konfliktkompetenz führt nicht selten zu ernsthaften Schwierigkeiten in der Familie und bei der Arbeit. Weshalb warten, bis die Ehe auf der Kippe steht oder eine Kündigung des Arbeitsplatzes droht?
Im Strafvollzug gehören Anti-Aggressions-Kurse zum Tagesgeschehen. Wo sonst prallt geballte Aggression so heftig aufeinander wie in Gefängnissen? Die Insassen müssen lernen, dass Friedfertigkeit und Sanftmut nicht Feigheit und Schwäche bedeuten. Zu einem Aufenthalt in einer Haftanstalt muss es nicht kommen.
Noch vor einem gewalttätigen Delikt aktiv werden, sich den eigenen Aggressionen stellen und mit Hilfe von Übungen dagegen angehen, verhindert im günstigsten Fall eine gerichtliche Verurteilung. Nicht geeignet sind die Kurse allerdings für Sexualstraftäter und Menschen, die sich psychischer Gewalt bedienen. Für diese Zielgruppen sind die Trainingseinheiten nicht ausgerichtet.
Wie setzt sich das Anti-Aggressivitäts-Training zusammen?
Folgende Übungen eignen sich hervorragend zum besseren Umgang mit der eigenen Aggressivität:
- Rollenspiele
Etliche Übungen sind dem Konfrontationsprinzip gewidmet. Indem provozierende Situationen nachgeahmt werden, versuchen sich die Teilnehmer an veränderten Verhaltensweisen. Alle Mitwirkende nehmen sowohl Täter- als auch Opferrollen ein. Wichtig ist hier das anschließende Reflektieren des Geschehens. Wie fühlte sich die Situation an? Welcher Verlauf wäre noch günstiger gewesen? - Provokationsgrenzen einschätzen
Jedes Gruppenmitglied wägt für sich selbst die Grenzen zwischen Gelassenheit und Aggressivität ab. - Kooperation trainieren
Bei der Ausführung von Aufgaben, die nur gemeinsam gelöst werden können, wächst das Vertrauen zueinander. - Körperliche Übungen
Sich auf sportlicher Ebene messen erfordert die Einhaltung von Regeln. Indem Judotechniken oder Elemente aus dem Ringen im Anti-Aggressivitäts-Training Verwendung finden, treffen Gegner zu einem regeltreuen Kampf aufeinander. - Der sogenannte „heiße Stuhl“
Es handelt sich hier um ein verbales Kreuzfeuer, dem sich ein einzelnes Gruppenmitglied stellen muss. Diese Übung gilt als die schwierigste von allen. - Entspannungsübungen
Autogenes Training und andere Entspannungstechniken unterstützen die Körperwahrnehmung.
Den Übungen folgen die praktischen Anwendungen. Außerhalb des Trainings empfiehlt sich die Dokumentation von Lernfortschritten. Bei welchen Gelegenheiten kam es aufgrund des Anti-Aggressivitätskurses bereits zu veränderten Verhaltensweisen? Wo bestehen noch Unzulänglichkeiten, die aufgearbeitet werden sollten? Ein abrupter Wandel von heute auf morgen entspricht niemals der Realität. Deshalb bedarf es Geduld, bis ein souveränes und selbstbewusstes Agieren nach und nach das aggressive Verhalten ersetzt.
Mehr Übungen und Literatur gegen Aggressionen findet man auch in guten Büchern. Ich habe hier eine Bücherliste zusammengestellt.